Erinnerung sichtbar gemacht


Gedenken an ein dunkles Kapitel der Geschichte
Die Stadt Wächtersbach hat am 30. März gemeinsam mit der Künstlerin Ulrike Streck-Plath aus Maintal eine Gedenkveranstaltung organisiert, die die Schrecken des sogenannten „Todesmarschs“ vom März 1945 künstlerisch vergegenwärtigte. Anlass war der 80. Jahrestag dieses grausamen Kapitels der deutschen Geschichte.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs trieb die SS rund 360 Gefangene aus dem KZ Katzbach – dem Gelände der Adlerwerke in Frankfurt – bei eisigen Temperaturen zu Fuß durch das Kinzigtal in Richtung Hünfeld. Ziel war ein Weitertransport ins Konzentrationslager Buchenwald. Diese Route führte auch durch Wächtersbach-Aufenau, das somit Teil dieses Leidensweges wurde.

Gedenkzug durch Aufenau
Zur Erinnerung an dieses Ereignis fand nun die künstlerische Gedenkaktion statt, bei der eine Prozession von lebensgroßen Figuren symbolisch durch Aufenau getragen wurde. Die 45 Filz- und Eisenfiguren – entworfen von Ulrike Streck-Plath – standen für die Opfer des Marsches und wurden von knapp 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf dem historischen Abschnitt durch den Ort bewegt.

Breite Teilnahme aus Gesellschaft und Politik
Die Schirmherrschaft der Veranstaltung trug Ministerpräsident Boris Rhein. Unter den Teilnehmern waren unter anderen der polnische Vizekonsul Jan Krzymowski, Kreisbeigeordnete Monika Kühn-Bousonville in Vertretung für Landrat Thorsten Stolz, Bürgermeister Andreas Weiher, Stadtverordnetenvorsteher Jan Volkmann, Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats, Ortsvorsteherin Angelika Schaub, Vertreter aus Kirchen, Sozialverbänden und Vereinen sowie der Motorradgruppe „Kuhle Wampe“ aus Frankfurt.

Einladung zur aktiven Teilnahme und stillem Gedenken
Startpunkt der stillen Performance war die Frankfurter Straße, das Ziel lag im Bereich der Festplatzstraße. Die Bürgerinnen und Bürger waren eingeladen, nicht nur aktiv teilzunehmen, sondern sich auch in ein „Buch des Gedenkens“ einzutragen.

Eindringliche Worte von Bürgermeister Andreas Weiher
Bürgermeister Andreas Weiher richtete in seiner Ansprache eindringliche Worte an die Teilnehmenden: „Wir gedenken heute den Opfern des Todesmarschs vom März 1945, der auch durch Aufenau führte. Es erfüllt uns tiefe Trauer über das unfassbare Leid, das damals geschah. Worte unseres früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker behalten dabei bis heute ihre Gültigkeit: ‚Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.‘ Gerade heute ist es wichtiger denn je, Erinnerung wachzuhalten, Verantwortung zu übernehmen und unsere Demokratie aktiv zu schützen. Lassen Sie uns ein Zeichen setzen – gegen Hass und Unmenschlichkeit, für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.“

Demokratie und Erinnerungskultur als zentrale Werte
Kreisbeigeordnete Monika Kühn-Bousonville betonte die Wichtigkeit des frühzeitigen Eintretens für demokratische Werte und strich die Bedeutung einer solchen Veranstaltung – die sie bereits seit mehreren Jahren in verschiedenen Städten entlang der ehemaligen Strecke begleitet – hervor. „Die Geschichte darf sich niemals wiederholen“, mahnt sie.

Ein mahnender Rückblick auf die Todesmärsche
Am Ende des Marsches erinnerte der polnische Vizekonsul an die zahlreichen Todesmärsche in der Zeit des Nationalsozialismus und dankte allen Teilnehmenden für ihr Engagement. Die Darstellung der Jammergestalten habe ein Stück Geschichte spürbar gemacht, das nur wenige überlebt hätten.

Historischer Kontext durch die Künstlerin
„Der Todesmarsch der Häftlinge des KZ war der letzte Versuch, die brutalen Verbrechen des NS-Regimes zu verheimlichen. Die Gefangenen sollten nicht als Zeugen von den Gräueltaten berichten können. Auf ihrem Weg von Frankfurt durch das Kinzigtal über Fulda nach Hünfeld wurden die Häftlinge bei kaltem Schneeregen vor allem in der Nacht durch die Städte und Dörfer getrieben. Etliche Häftlinge sollen den Marsch nicht überlebt haben“, berichtet Ulrike Streck-Plath. Sie unterstrich, dass Geschichte sich niemals wiederhole – aber dass ihr Verlauf durch unser Handeln stets beeinflusst werden könne.

Historischer Austausch im Anschluss
Im Anschluss an die Performance bot sich die Möglichkeit zu einem regen Austausch mit dem Historiker Franz Coy aus Gelnhausen, der in den Räumlichkeiten der Grundschule Aufenau für Fragen zu den Todesmärschen und den Geschehnissen speziell in unserer Region zur Verfügung stand.

Dank für Engagement und Zusammenarbeit
Die Aktion verlief in enger Zusammenarbeit zwischen dem Stadtmarketing der Stadt Wächtersbach und der Künstlerin Ulrike Streck-Plath. Bürgermeister Weiher bedankt sich bei Ulrike Streck-Plath für ihr Engagement, bei dem Historiker Franz Coy für seine sehr interessanten und ausführlichen Darstellungen, der Grundschule Aufenau für die Bereitstellung des Raumes sowie allen Teilnehmern der Performance.